Zunehmend wenden sich Menschen mit psychischen Problemen der Spiritualität zu. Oftmals finden sich hierunter auch Menschen mit diagnostizierten psychischen Störungen unterschiedlichster Art. Vermehrte Anfragen dieser Natur erhält auch Herzwandler. Das ist zu erwarten, da Selbsterkenntnis ein wichtiges Mittel zur Auflösung psychischer Probleme darstellt und Spiritualität hier eine fundamentale Schnittmenge bietet.
Gleichzeitig wünschen sich viele Betroffene, trotz neu entdecktem spirituellen Interesse, Hilfe psychotherapeutischer Natur. Das ist zur Auflösung konkret diagnostizierter Themen auch dringend ratsam. Diese Art Hilfe bedarf natürlich einer formalen Qualifikation. Auch inhaltlich unterscheiden sich beide Gebiete.
Dieser Artikel möchte daher einmal aufzeigen, was die Unterschiede zwischen der Sicht der Psychologie und der Sicht der Spiritualität auf das Selbst sind. Hieraus wird deutlich, auf welcher Grundlage beide „Disziplinen“ ansetzen und was Du von ihnen erwarten kannst.
Hinweis: Der vorliegende Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und ersetzt keineswegs medizinischen oder therapeutischen Rat. Bei gesundheitlichen Beschwerden oder Fragen sollte immer ein qualifizierter Gesundheitsdienstleister oder Therapeut konsultiert werden. Herzwandler leistet keine psychotherapeutischen Dienste.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Spiritualität?
Als spirituelle Wesen in der Verkörperung bestehen wir aus mentalen, emotionalen, körperlichen und bewusstseinstechnischen Aspekten. Das hast Du hier auf Herzwandler schon oft gelesen und es unterstreicht immer wieder, wie ganzheitlich wir die Spiritualität sehen dürfen.
Wenn wir den Begriff der Spiritualität ganz nüchtern betrachten, verstehen wir darunter die lateinische Bezeichnung für „Seele, Geist“ (spiritus). Nun ist es mit dem Wort Geist so eine Sache. Wo grenzen wir „Geist“ zu mentalen, emotionalen und bewusstseinstechnischen Aspekten ab? Oft sind alle drei gemeint, oft genug nicht.
Was meint das Wort Geist?
Im Alltag herrscht eine sehr willkürliche Verwendung des Wortes Geist vor, was an mehreren Stellen deutlich wird:
- Viele psychotherapeutische Maßnahmen werden (vor allem im religiösen Kontext) gern „Seelsorge“ genannt. Doch wird wirklich die Seele (das Bewusstsein) umsorgt oder vielmehr das, was wir damit auf Erden leisten?
- Der Wortgebrauch „geistig“ (verstandsorientiert) und „geistlich“ (höher-seelisch) macht ebenfalls deutlich wie mehrdeutig „Geist“ selbst in der Sprache und dem Alltagsverständnis ist.
- Die Spiritualität grenzt einerseits oft sehr sauber zwischen „Körper, Geist und Seele“ ab, spricht dann aber andererseits doch häufig von „Der Geistigen Welt“ und meint dabei etwas rein Höheres.
Das Wort Geist ist also nur schwach definiert und wird unterschiedlich verwendet. Für eine Abgrenzung des Fokus von Psychologie und Spiritualität benötigen wir aber eine solide Definition des Wortes Geist und eine klare Abgrenzung zur Seele (dem Bewusstsein). Wir wollen uns in diesem Artikel daher auf Folgendes festlegen, ohne dass Du dies als neues Dogma verstehen musst:
„Geist meint die mentalen und emotionalen Aspekte des inkarnierten Ichs. Geist versteht sich synonym zur Psyche. Seele meint die bewusstseinstechnischen Aspekte, die zwar mit dem Geist in Einheit, jedoch auch unabhängig von der Verkörperung existieren.“ [Herzwandler.net]
Seele und Geist sind daher bitte nicht länger das selbe. Gehen wir mit dieser feinen aber fundamentalen Unterscheidung weiter, meint Geist also:
- den Verstand
- die Gefühlswelt
- das Alltagsbewusstsein (einen Teil des gesamten Bewusstseins)
Letzteres ist jener Aspekt des physischen Selbst, welcher die eigenen Denk-, Fühl- und Handlungskonsequenzen erleben und aus deren Echo (der erlebten Realität) lernen kann. Der Geist ist damit zwar einerseits beschränkt auf das physische Selbst, reichert jedoch mit allem was er tut die eigene Seele an. Gleichzeitig wird er von der Seele nicht nur angereichert, sondern von einer höheren Warte aus gelenkt.
Die Einheit von Geist und Seele — Geist kann nicht ohne Seele sein. Die Seele könnte wiederum zwar ohne Geist existieren, doch sie könnte sich nicht mehr selbst erkennen. Die Seele ist jedoch vom Verstand unabhängig existent — in Form unseres Höheren Selbst. Das Unterbewusstsein ist unsere (physische) Vermittlungsschicht zwischen beidem, was sich vor allem durch die unbewusste Verarbeitung von Emotionen, welche sowohl im Einfachen als auch im Höheren Selbst eine Rolle spielen, zeigt.
Blicken wir mit diesem genormten Verständnis der Begriffe Geist (mentale, emotionale Aspekte), Seele (bewusstseinstechnische Aspekte) und Körper (unter anderem auch Abbildung biochemischer/psychischer Prozesse als Fahrzeug der Seele), nun weiter in Richtung Psychologie.
Was ist Psychologie?
Ursprünglich ist Psychologie abgeleitet vom griechischen Wort „psychología“ und bedeutet wörtlich übersetzt „Seelenkunde“. Natürlich bereichert das die Verwirrung, unterstreicht aber genau das, was wir weiter oben schon sagten. Die Psychologie ist jedoch eine empirische Wissenschaft. Da sich die höheren Aspekte einer „Seele“ nicht kartographieren lassen, können wir die Psychologie also klar in Richtung „Geist“ (mentale und emotionale Aspekte des Ego) einordnen.
Worauf zielt die Psychologie ab?
Die Psychologie beschreibt die inneren und äußeren Ursachen und Bedingungen für das Erleben und das Verhalten eines Menschen, entlang seiner Entwicklung, innerhalb seines Lebens. Sie ist daher eine Schnittstellendisziplin aus Naturwissenschaft, Sozialwissenschaft und Geisteswissenschaft. Alle drei beschäftigen sich jedoch mit den mentalen und emotionalen Aspekten des Menschen, nicht vorrangig mit höheren Elementen oder gar ihrer Interaktion (was ein Symptom unserer Zeit ist).
Unsere Psyche (im Sinne dieser mentalen und emotionalen Aspekte) ist als physischer Bestandteil des Selbst (in Form unseres neuronalen Netzes) selbstverständlich eng mit dem Körper verwoben. An der Psychosomatik erkennen wir Direkte Beweise für das Zusammenspiel von geistiger Haltung und physischen Auswirkungen. Doch die Beziehung gilt wechselseitig: die Verabreichung von Psychopharmaka kann wie wir wissen geistige Veränderungen nach sich ziehen. Hier verlassen wir zwar das Gebiet der reinen Psychologie und betreten die Psychotherapie, doch der Zusammenhang zwischen Geist und Körper ist sehr wichtig.
Betrachtungsgegenstand der Psychologie — Die Psychologie beschäftigt sich mit dem Fahrzeug der Seele: den mentalen, emotionalen und teils auch körperlichen Aspekten. Alle drei adressieren die sogenannte Psyche, welche im physischen Selbst angesiedelt ist.
Doch schon der Begriff „Psyche“ trägt im historischen Kontext sogar schon spirituelle Wurzeln. Ursprünglich ging man tatsächliche von einer höheren Warte aus und sah den Menschen nicht begrenzt in seinen physischen Aspekten.
Worauf zielt Spiritualität ab?
Ist ein Mensch „spirituell“ meinen wir damit die Ausrichtung des Bewusstseins auf höhere Räume, in die das einfache Selbst lediglich eingebettet ist. Sie dient der Erkenntnis, dass man selbst mehr ist als das, was man durch die physischen Sinnes-Organe wahrnehmen kann. Spiritualität strebt nach der Erkenntnis höherer Wahrheiten des eigenen Selbst, der Entdeckung des eigenen Kerns.
Zunächst sieht sich der Mensch dabei als physisches Wesen, dass „seine spirituelle Seite“ entdecken möchte. Doch arbeitet er dann eine Weile mit einer spirituellen Geistes-Haltung, wird die Wahrheit immer deutlicher. Er ist (und war schon immer) ein spirituelles Wesen, welches sich einen Körper als Seelenfahrzeug organisiert hat. Von dort aus erinnert er sich heute zurück an seinen wahren, höheren Kern.
Hierbei löst sich das Ich-Verständnis des Ego auf. Das neue Ich sieht das physische Selbst lediglich als einen Teil des totalen Ichs. Wohlgemerkt wird das physische Selbst dabei aber nicht ausgeklammert. Das Wort „Ego“ bedarf daher keinerlei Wertung, sondern ist einfach zu verstehen als die scheinbare Abspaltung, den Wahrnehmungsapparat Körper — samt des Geistes.
Spiritualität beinhaltet alles das ist — Es ist ein Trugschluss zu glauben, Spiritualität und Psychologie würden sich widersprechen. Psychotherapie kann als Teil der Selbst-Erkenntnis genutzt werden. Im Falle psychischer Erkrankungen wie einer Depression oder Burnout ist die Herangehensweise eines Psychotherapeuten jedoch sinnvoll und oft notwendig. Hierauf kommen wir später noch genauer zu sprechen.
Psychotherapie oder spirituelle Arbeit?
Wo immer es Dich hinzieht: Dein Weg ist zunächst der richtige für Dich. Psychotherapeutische Maßnahmen sind ein vollkommen valides Werkzeug zur Transformation der eigenen Aspekte. Schließlich ist schon das Leiden selbst ein Zeichen Deiner Seele, über das Du Dich finden darfst. Wenn Du über bereits diagnostizierte Störungen verfügst, rate ich Dir auch zu professioneller therapeutischer Unterstützung, die Dir nie schaden wird. Psychotherapie wird Dich stets an einen bestimmten Punkt bringen: zu erkennen wie Du selbst funktionierst. Du gewinnst Einsichten darüber, warum Du bislang auf eine bestimmte Weise denkst, fühlst und handelst. Genau dieser Teil der Erkenntnis Deines physischen Selbst, ist in jedem Fall ein sehr wertvoller Beitrag für ein selbsterfülltes Leben.
Wichtiger Hinweis — Psychotherapeutische Maßnahmen sind oft sinnvoll und notwendig. Sobald Du feststellst, dass Du einen Leidensdruck (beispielsweise durch eine Depression oder einen Burnout oder andere Themen) verspürst, ist ein Gespräch mit einem professionellen Psycho-Therapeuten dringend angezeigt. Spirituelle „Selbstverbesserung“ ist hier nicht ratsam. Der Grund ist, dass Spiritualität im Falle psychischer Erkrankungen oft als Zuflucht und damit der Vermeidung dient. Nicht selten sind insbesondere esoterische Menschen nicht sehr weit in der Selbsterkenntnis fortgeschritten. Gleichzeitig können sich Deine Symptome verschlimmern, denn es gibt einen Grund, weshalb Du Deine aktuellen Erschwernisse in Dir trägst. Bitte unterschätze daher nicht, was ein Psycho-Therapeut für Dich tun kann.
Spirituelle Praktiken zur inneren Stabilität
Selbstverständlich kannst Du Selbsterkenntnis auch aus spiritueller Sicht betreiben. Schauen wir uns an, welche Perspektive eingenommen wird.
Vorherrschend ist aus dieser Sicht: das Ego ist Illusion. Du bist alles was ist. Das Ego ist eine Durch Dein Bewusstsein (Deine Seele) erschaffene, selbst gewählte, scheinbare Abspaltung. Sie dient der Erhöhung der Erkenntnis-Oberfläche des Universums. Alles was ist, erhält hierdurch die Möglichkeit den Prozess der Erkenntnis zu erfahren. Du bist nicht nur Teil dieses Prozesses, Du bist dieser Prozess.
Wenn Du eine andere Person ansiehst, mag sie Dir Dein eigenes Verhalten auf eine Weise spiegeln, die sich als geistige Resonanz von einer psychologischen Perspektive aus beschreiben und erklären lässt. Doch sie tut dies deshalb, weil diese Person einen anderen Aspekt Deines Selbst darstellt. Du kannst Dich an ihr erkennen und über diese Erkenntnis in eine Realität wechseln, die Dir neue Möglichkeiten der Erkenntnis Deines Selbst gewährt. Doch Du ahnst es schon: mit „Selbst“ ist hier nicht länger Dein physisches Selbst gemeint.
Das kleine Fazit
Nun haben wir einige wesentliche Aspekte der Psychologie und der Spiritualität gegenübergestellt. Ich möchte nun noch einmal zusammenfassen und einige Punkte deutlich hervorheben.
Eine Höhere Selbsterkenntnis — Du bist vor allem eins: ein unendliches, unsterbliches Wesen, welches sich stets neue Fahrzeuge organisiert und zu einem übergeordneten Erkenntnisprozess beiträgt. Dieser ist nicht Bestandteil psychologischer Erwägungen. Spiritualität meint das Zulassen der Erkenntnis, dass Du alles bist was ist. Alles was im Jetzt um Dich herum als Mensch geschieht, ist ein Teil von Dir, den Du in Dir (!) erkennen und annehmen darfst. Die Realität reflektiert nicht nur zu Dir, Realität ist die Reflektion, und Du bist die Realität.
Wenn Du mich daher fragst, ob Dir Spiritualität und/oder Psychologie helfen können, lautet die grundsätzlich Antwort: Ja. Auch wenn sich Psychologie und Spiritualität nicht widersprechen, haben sie dennoch andere Herangehensweisen und Zielsetzungen — und hierüber solltest Du Dir bewusst sein.
Ich wünsche Dir einen klaren Blick bei der Unterscheidung zwischen Psychologie und Spiritualität und hoffe, dass Du beide Werkzeuge dann einsetzt, wenn sie gebraucht werden.